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Russland reicht von Nordosteuropa bis Asien und ist flächenmäßig der größte Staat der Erde. Die auf diesem Boden beheimateten 20 Millionen Muslime sind ein Beweis dafür, dass der Islam ein wichtiger Teil Russlands ist.

Dieser nichtmuslimische Staat mit den meisten Muslimen scheint aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Stabilität auf dem Weg zu sein, seinen früheren Status einzunehmen.

Allgemeine Informationen
Die Russische Föderation, so die amtliche Bezeichnung, entstand nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 und grenzt im Norden an den Arktischen Ozean, im  Süden an Nordkorea, China, die Mongolei, Kasachstan, Aserbaidschan und Georgien, im Westen an die Ukraine, Weißrussland, Litauen, Estland, Finnland und Norwegen an.
Mit 17 Millionen Quadratkilometern ist Russland flächenmäßig das größte Land der Welt und damit achtundvierzigmal so groß wie die Bundesrepublik. Die Einwohnerzahl Russlands beträgt 145 Millionen, von denen 10 Millionen in der Hauptstadt Moskau leben. Weitere Großstädte mit mehr als eine Million Einwohnern sind St. Petersburg, Novosibirsk, Nischni Nowgorod, Jekaterinburg, Samara, Omsk, Kasan, Tscheljabinsk, Rostow am Dom, Ufa, Wolgograd und Perm.

Bevölkerung, Ethnie und Religion
80 Prozent der 145 Millionen Einwohner leben im europäischen Teil des Landes. Die Bevölkerungsdichte nimmt vom Osten zum Westen hin zu. In den letzten Jahren ist ein Rückgang bei den Einwohnerzahlen zu beobachten, die bedingt ist durch Auswanderung und dem Rückgang der Geburtsrate.

Nach der Volkszählung im Jahr 2002 setzt sich die Bevölkerung zu 79,8 Prozent aus Russen, 3,8 Prozent aus Tataren, 2 Prozent aus Ukrainern und die restlichen aus Minderheiten wie Baschkiren, Tschuwaschen, Tschetschenen, Armeniern, Mordwinen, Awaren, Kasachen und Inguschen sowie weiteren Minderheiten zusammen. Die Bezeichnung Tatar wurde zweitweise für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen verwendet. Russen bezeichneten Jahrhunderte lang die türkischstämmigen Muslime in Russland als Tataren. Im Westen wurden hingegen die Türken in Turkestan und am Schwarzen Meer als Tataren bezeichnet. Im Osmanischen Reich wurde die Bezeichnung für alle Muslime im russischen Herrschaftsgebiet verwendet.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist eine Wiederbelebung der Religionen zu beobachten. Die Mehrheit der Russen gehört mit 120 Millionen dem russisch-orthodoxen Glauben an, 600 000 sind römisch-katholisch und 1,1 Millionen evangelisch. Die 20 Millionen Muslime in Russland verdeutlichen die muslimische Identität in dem Staat. Zwar leben in allen 80 Bezirken Muslime, doch die Mehrheit von ihnen ist in Nordkaukasien und in der Wolga-Ural-Region angesiedelt.  Ferner ist anzumerken, dass in sieben Bezirken Muslime die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Darüber hinaus leben in Russland 230 000 Juden und 900 000 Buddhisten.

Islam in Russland
Mit dem Übertritt der Wolgabulgaren zum Islam verbreitete sich die islamische Religion in Russland. Nach der Einnahme dieser Herrschaftsgebiete durch Iwan den Schrecklichen 1552 hatte das Zarenreich erstmals eine muslimische Bevölkerung. Mit der Eroberung der Gebiete, in denen vermehrt Muslime lebten, nahm der Anteil der muslimischen Bevölkerung zu. Demnach wurden 1556 Astrachan, 1598 Sibirien, 1681 Kasim, 1783 Krim und 1810 Kaukasien eingenommen. Zwischen 1847 und 1881 wurde Turkestan besetzt und in diesem Zusammenhang nahm die muslimische Bevölkerung weiter zu.

Sehr früh begannen die Zwangschristianisierungen, was die Muslime dazu bewegte auszuwandern. Moscheen und Koranschulen wurden verboten. Im Zuge der  Zwangschristianisierung wurden Kommissionen gegründet, die zwischen 1731 und 1764 die Friedhöfe und Moscheen in den muslimischen Dörfern zerstörten und Religionsbücher verbrannten. Infolge eines in 1742 erlassenen Gesetzes wurden in Kasan 418 von den 536 Moscheen zerstört. In dieser Zeit gab es neben Muslimen, die sich gegen die Zwangschristianisierung wehrten und infolge dessen gefoltert und eingesperrt wurden, auch viele, die nur zum Schein zum Christentum konvertierten. Geistliche wurden damit beauftragt, Muslimen den christlichen Glauben näherzubringen. In Gegenwart des Geistlichen trugen sie ein Kreuz um den Hals, doch beteten in seiner Abwesenheit  wie gewohnt, fasteten und praktizierten so den Islam.

Da der Widerstand der Muslime, die sich gegen die religiöse Unterdrückung auflehnten, auf die Dauer zur Gefahr für das Reich werden könnte, wurden ihnen zur Regierungszeit Katharina der II., die 1762 den Thron bestieg, einige Rechte gewährt. So wurde in der Stadt Ufa ein Amt für islamisches Recht (Amt des Mufti) gegründet, das heute noch besteht. In dieser Einrichtung waren neben einem islamischen Rechtsgelehrten drei Kadis tätig. Hier wurden Imame, Lehrer und Hochschullehrer ausgebildet und eingesetzt. Katharina, die stets eine Expansionspolitik betrieb, war bemüht, die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten. Infolge dieser Politik wurden den Muslimen viele Zugeständnisse gemacht. Katharinas Politik wurde auch von den darauffolgenden Zaren übernommen und fortgesetzt.  

Vertreter des Islams in Russland ließen 1907-1917 Schulen errichten und veröffentlichten Schriften, um religiöse, politische und soziale Rechte zu erlangen. Insbesondere die „Usul-i Cedid Schulen“, die von Ismail aus Gaspira in Krim gegründet wurden, verbreiteten sich im ganzen Land. Doch die Regierung empfand diese Entwicklungen als Bedrohung, ließ folglich viele dieser Schulen schließen und verbot ihre Verbreitungsorgane. Im Rahmen dieser Verbote wurden führende muslimische Persönlichkeiten eingesperrt oder ins Exil verbannt.

Unter sowjetischer Regierung wurde hart gegen den Islam und andere Religionen vorgegangen. Muslimen wurde die Pilgerfahrt nach Mekka verboten. Moscheen und Koranschulen wurden geschlossen. Mit dem Ziel, Muslime von ihrem Glauben zu entfernen, wurde systematisch Propaganda für den Atheismus betrieben. Die Mittel der Stiftungen wurden beschlagnahmt. Die Regierung verurteilte islamische Gelehrte, etwa mit dem Vorwurf der Spionage, zu Tode oder sandte sie ins Exil. Die Tatsache, dass von den 30 000 Moscheen im Jahre 1917 in den 1960ern nur einige hundert übrig geblieben waren, verdeutlicht diese Politik.

Aktuelle Situation der Muslime in Russland
Nach dem Zerfall der UDSSR nahm die jahrhundertelange religiöse Unterdrückung der russischen Muslime ab, so dass sie heute eine größere Religionsfreiheit genießen. Russland wurde 2005 Beobachter in der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC). In fast allen Städten und Dörfern mit muslimischer Population entstanden Koranschulen und Moscheen und Muslimen wurde erlaubt, ihre Religion freier auszuüben. Muslime in Russland haben heute ähnliche Rechte wie zu der Zeit Katharina II.
Heute leben zwei Millionen der insgesamt ca. 20 Millionen Muslime in Russland in Moskau. In St. Petersburg besteht die Bevölkerung zu Dreiviertel aus Muslimen. Russland ist das größte nichtmuslimische Land mit der größten muslimischen Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund ist die Tatsache, dass die seit Jahrhunderten in Russland lebenden Muslime dennoch als Ausländer betrachtet werden inakzeptabel. Russland ist ein Vielvölkerstaat, der nicht nur die Heimat von Russen, sondern auch von mehr als hundert anderen ethnischen Minderheiten ist. Doch die ethnischen Spannungen in jüngster Zeit weisen auf die bestehenden Konflikte hin. Anders als die meisten europäischen Muslime sind die Muslime in Russland jedoch nicht Migranten, sondern seit Jahrhunderten in Russland beheimatet.

(Übersetzung aus dem Türkischen: Fatma Yılmazer)



Quellen:
- “Rusya”, TDV İslam Ansiklopedisi, 35. Cilt, s. 251-271
- Seyfettin Erşahin, “Rusya’da Müslümanlar: Tatar Kavimlerin tarihçesi”, dergiler.ankara.edu.tr/dergiler/37/780/10015.pdf
- “Orta Asya: Rusya'da din-devlet ilişkileri ve İslam”, dusuncegundem.com