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Die islamische Religion schöpft ihr Selbstverständnis aus zwei wichtigen Quellen: Koran und Sunna. Die erste ist das Wort Gottes (Kalâmullâh), welches dem Propheten Muhammad (saw) in einer Zeitspanne von 23 Jahren herabgesandt wurde.

So ist das Wort Gottes, also der Koran als eine Rechtleitung für die Menschheit bis in unsere Tage überliefert worden. Gott selbst verweist an mehreren Stellen im Koran auf den Propheten Muhammad (saw) und ermahnt die Gottesfürchtigen, sich ein Beispiel an ihm zu nehmen.1 So kann gewissermaßen von dem Propheten als dem Koran „auf zwei Beinen“ gesprochen werden und ihn als gelebte Version der Offenbarung (Wahy) Gottes verstehen.


Durch diese herausragende Stellung des Gesandten Allahs war seine Persönlichkeit jeher Gegenstand von Nachahmung und diente als Maßstab für das eigene Leben. Es ist nur natürlich, wenn die Muslime darauf bedacht sind, soviel wie nur möglich über das Leben ihres Propheten zu erfahren, dies umzusetzen und das Wissen schließlich an andere weiterzugeben.


Der Prophet selbst hatte zu Lebzeiten nicht gestattet, seine Aussprüche zu verschriftlichen. Es gab auch keinen wirklichen Anlass dazu, denn die damals übliche mündliche Überlieferung war ausreichend. Zudem wollte der Prophet vermeiden, dass seine Worte mit der bis dahin noch nicht abgeschlossene Offenbarung Gottes, also dem Koran vermischt werden könnten. In späterer Zeit schrieben einige seiner Gefährten die Worte und Taten, aber auch seine bloße Zustimmung in verschiedensten Situationen des Lebens auf. Diese einzelnen „Informationen“ zu den verschiedenen Anlässen im Leben des Propheten werden im arabischen „Hadith“ genannt. Es gibt eigentlich keinen Abschnitt des Lebens Muhammads (saw), zu dem die Muslime nicht solche Hadithe überliefert haben. Ja es gibt sogar Bereiche seines Lebens, zu denen nur seine eigene Familie Hadithe tradieren konnte.


Die Sunna (Praxis, Tradition) des Propheten, die sich in der Gesamtheit der überlieferten Hadithe widerspiegelt, ist die zweite Quelle des Islams, aus ihr schöpft sie ihr Selbstverständnis. Im Unterschied zum Koran, dessen Authentizität gesichert ist, führte die Frage der Authentizität der einzelnen Hadithe im Laufe der folgenden Jahrhunderte dazu, dass sich eine eigene Wissenschaft zu diesem Bereich herausbildete. Diese Wissenschaft hat sich zum Ziel erklärt, die einzelnen Hadithe nach ihrer Authentizität hin zu überprüfen und sie dementsprechend zu klassifizieren.

Die Sunna des Propheten spielt in vielerlei Hinsichten eine wichtige Rolle im Leben eines Muslims. Es sind z. B. viele „Details“ der Gottesdienste (Ibadât) nur in der Sunna wiederzufinden. So ist z. B. der genaue Ablauf des täglichen Gebets oder die dafür notwendige Waschung (Wudû) erst mit dem Beispiel des Propheten umfassend überliefert worden. Aufgrund der Notwendigkeit, die riesige Menge an Hadithen in einer angemessenen Art und Weise zu erfassen, entstanden schon kurz nach dem Propheten kleinere Hadith-Sammlungen. Diese Zusammenstellung der Hadithe entwickelte sich fortan und mündeten in den großen Hadith-Zusammenstellungen des 9. Jahrhunderts. Die Erfassung der Hadithe geschah dann auch in der Form, dass der Inhalt der verschiedenen Hadithe berücksichtigt wurde und dementsprechend verschiedene Kapitel zu einzelnen Themen zusammengestellt wurden, was die Benutzung dieser Werke erheblich erleichterte.


Die Tatsache der enormen Wichtigkeit der Sunna, aber auch neue Fragestellungen, die mit der Ausweitung des Islams auf die Gemeinschaft zukamen und für die man Referenzen in den Quellen suchte, veranlassten verschiedene Gelehrte, sich mit der Sammlung, Klassifizierung und der Zusammenstellung der noch relativ unübersichtlichen Menge an Hadithen zu beschäftigen. Die Frucht dieser aufopfernden Arbeiten sollte etwa die wahrscheinlich bekannteste Hadith-Sammlung „Kutub as-sitta“ (Sechs Bücher) werden.


Die sogenannten „Sechs Bücher“ bezeichnen sechs Werke, die Tausende von Überlieferungen umfassen, welche wiederum aus Hunderttausenden heraussortiert und anhand verschiedener Kriterien klassifiziert wurden. Im sunnitischen Islam gelten die Hadithe dieser sechs Bücher im Allgemeinen als zuverlässig. Die Bezeichnung des Begriffs „Kutub as-sitta“ wurde wahrscheinlich Mitte des 10. Jahrhunderts zum ersten Mal verwendet, um Unkundigen authentische Quellen empfehlen zu können. Somit entwickelte sich diese Bezeichnung als ein Synonym für „authentische Überlieferungen“.

Das sowohl bekannteste als auch zuverlässigste Werk der „Sechs Bücher“ ist das des Gelehrten Buchârî (gest. 869). Das Werk selbst wird meistens auch mit dem Namen des Autors bezeichnet. Buchârî hatte sich zur Aufgabe gemacht, nur solche Überlieferungen in sein Werk aufzunehmen, die einen hohen Grad an Authentizität besaßen. Auch in deutscher Sprache existieren mittlerweile auszugsweise Übersetzungen aus diesem Werk. Die Überlieferungen sind in viele verschiedene Kapitel wie etwa Glaube, Gebet, Fasten, Almosen usw. unterteilt und ermöglichen dem Leser somit einen schnellen Zugang zu dem jeweiligen Thema.


Neben diesem umfassendem Werk von Buchârî, der Überlieferungen aus allen Bereichen mit aufnahm, entstanden auch Werke, die sich speziell einem einzelnen Thema widmeten. So hat beispielsweise Harâitî (gest. 939) eine Sammlung von Überlieferungen zum Thema Liebe und Leidenschaft in seinem Werk vereint. Harâitî belässt es aber nicht nur bei der Sammlung von Prophetenüberlieferungen, sondern nimmt auch Überlieferungen von den Gefährten (Ashâb) Muhammads (saw) sowie auch von bekannten Gelehrten in sein Werk auf. Weiterhin fügt er noch verschiedene Gedichte arabischer Dichter ein.


Diese Sammlungen ermöglichen den Muslimen sowohl einen authentischen Einblick in das Zeitalter als auch in das Leben des Propheten. Viele dieser Sammlungen stehen heute in verschiedenen Ausgaben und Sprachen zur Verfügung. Jeder Interessierte kann ohne große Vorkenntnisse von den Inhalten dieser Bücher profitieren. So sollte jeder, der noch nicht in den Genuss dieser Literaturgattung gekommen ist, davon Gebrauch machen.



1 Vgl. „Wer dem Gesandten gehorcht, der gehorcht Allah. Doch wer den Rücken kehrt – Wir haben dich nicht als ihren Aufpasser entsandt.“ (Sure Nisâ, [4:80]);

Allah erwählt als seinen Gesandten, wen er will; so glaubt an Allah und seinem Gesandten; und wenn ihr glaubt und gottesfürchtig seid, wird euch großer Lohn zuteil.“ (Sure Âli Imrân, [3:179]);

Dies sind Allahs Anordnungen. Und wer Allah und seinem Gesandten gehorcht, den führt er in Gärten ein, durcheilt von Bächen, ewig darin zu verweilen; und dies ist die große Glückseligkeit.“ (Sure Nisâ, [4:13])


Quelle:igmag