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von Frank Abdullah Bubenheim

Insbesondere die "Auswanderer", die vorhaben, Arabisch zu lernen möchte ich darauf hinweisen, wie wichtig es für jeden Muslim ist, soviel wie möglich von Allahs Buch auswendig zu lernen. Dazu sollte man auch die Regeln der Qur'ân-Rezitation erlernen und beherrschen, auch wenn man selbst vielleicht keine schöne Stimme hat. Hin und wieder sind Leute, die einem diese beibringen können, auch in westlichen Ländern zu finden; so hatten wir in Aachen einmal einen marokkanischen Studeten, der all die zehn verschiedenen Lesarten beherrschte und auch in der Moschee diesbezüglichen Unterricht gab. Dann sollte man keine Gelegenheit auslassen, um täglich, wenn auch nur eine Âya auswenig zu lernen. Selbst wenn man den genauen Sinn der Worte anfangs nicht begreift, so lernt man doch häufig später mehr, wenn man sich mit Qur'ân-Auslegung beschäftigt und besser Arabisch kann. Wenn man bestimmte Stellen im Qur'ân liest oder hört, dann kommt einem bisweilen das "Aha-Erlebnis". Dies wird einem sehr erleichtert, wenn man den Qur'ân auswendig oder zumindest "nahezu" auswendig kann. Heutzutage wird unter den Foltermethoden von inhaftierten Terrorismusverdächtigen häufig auch der Entzug religiöser Literatur angewandt, so daß Muslimen in Haft der Besitz selbst eines Taschen- Qur'âns verwehrt wird. Wer den Qur'ân auswendig kann, ist in solch einer Situation besser dran; und da praktisch alle Muslime unter dem Generalverdacht des Terrorismus stehen, sollte sich jeder möglichst auf die Möglichkeit einer Inhaftierung vorbereiten, indem er seine islamische Literatur mit sich in seinem Gedächtnis trägt.

Nach dem Auswendiglernen des Qur'âns kommen Hadîthe und andere Texte, die häufig in Versform gefaßt z.B. die grundlegende Grammatik der arabischen Sprache oder den Fiqh nach einer bestimmten Rechtsschule beinhalten. Das mag dem Anfänger vielleicht schwerfallen, aber später wird er den Nutzen erkennen, wenn die Umstände es von ihm erfordern, eine bestimmte Regel zu kennen und er sich dann an die auswendig gelernten Worte erinnert. So erhielten in der klassischen Zeit die später großen islamischen Gelehrten ihre Grundausbildung, ganz abgesehen davon, daß jemand, der als Vorbeter fungieren soll - eine Lage, in die jeder männliche Muslim einmal kommen kann - ein gewisses Mindestmaß vom Qur'ân auswendig wissen muß.

Es würde mich freuen, wenn Deutschland eines Tages islamische Gelehrte hevorbringen könnte, wozu die Grundlage aber nur bestehen kann, wenn die Muslime vom Kindesalter an den Qur'ân auswendig und die arabische Sprache gründlich erlernen. Allerdings scheint mir der allseits geforderte islamische Religionsunterricht in deutscher Sprache an staatlichen Schulen kaum dazu geeignet, dies zu fördern. Auf "Qur'ân-Schulen" kann also nicht verzichtet werden - im Gegenteil müßten sie sowohl qualitativ als auch quantitativ erweitert und zu Vorstufen für islamische Fachschulen und Hochschulen entwickelt werden. Aber genau das ist es, was die Feinde des Islams zu verhindern suchen, weswegen ich vermute, daß die Verwirklichung solcher Projekte erst dann vollzogen werden kann, wenn es den Muslimen im Westen gelungen sein wird, sich der Bevormundung durch die Nichtmuslime, die ihnen vorschreiben wollen, wie sie ihre Religion zu verstehen haben, zu entziehen.

Vor einiger Zeit verbreitete ein Bruder eine Warnung vor einem auf übelste Weise verfälschten "englischen" Qur'ân, der in Kuweit - und anderswo - verbreitet würde. Angesichts einer solchen Nachricht muß ich mir an den Kopf greifen und kann dazu nur sagen: Würde in solchen Schulen in einem muslimischen Land auf Arabisch statt Englisch unterrichtet und der Qur'ân im arabischen Original gelesen statt in einer englischen Übersetzung, dann könnte etwas Derartiges kaum geschehen. Wer den Qur'ân auswendig weiß, der wird sofort auf die geringste Abweichung in einem fehlerhaften oder gefälschen Qur'ân-Exemplar aufmerksam! Leider aber sind viele Araber selbst heute die größten Feinde der arabischen Sprache: Sie sind geradezu verrückt danach, Englisch anstatt Arabisch zu sprechen und messen der Sprache des Qur'âns, des Hadîth, der Überlieferungen der rechtschaffenen Muslime, einer alten hochsprachlichen Literatur keinerlei Wert - oder nur einen geringen Wert - bei und sind stolz darauf - oft selbst untereinander - sich dieser überaus häßlichen Weltsprache zu bedienen. Manche Völker sind stolz auf ihre Sprache, wie z.B. die Deutschen und die Türken, was sich z.B. darin äußert, daß im Fernsehen fast nur synchronisierte ausländische Filme zu finden sind, während bei den Arabern die synchronisierten Filme oder Fernsehserien die Ausnahme sind! In Deutschland habe ich beobachtet, daß türkische Kinder untereinander Türkisch sprechen, während arabische Kinder untereinander Deutsch sprechen (außer vielleicht den Marokkanern, die dann aber nur ihren Dialekt und nicht Hocharabisch sprechen). Wieviele westliche Konvertiten und auch z.B. im Westen aufgewachsene türkische Muslime möchten gern Arabisch als die Sprache des Qur'âns, des Propheten - Allah segne ihn und gebe ihm Heil - und der islamischen Religionswissenschaften lernen und suchen eifrig nach einer Möglichkeit dazu, während viele der arabischen Muslime diese ihre Sprache für diejenige der Nachkommen von ungläubigen Barbaren eintauschen möchten. Die meisten der arabischen Akademiker auf anderen Gebieten als dem literarischen Zweig und den islamischen Religionswissenschaften sind kaum imstande, Hocharabisch zu sprechen oder ein einigermaßen fehlerfreies Schriftstück zu verfassen! Schande über diese Sorte von arabischen Muslimen!

´Ammân, den 10. Rabî´ al-auwal 1426 = 19.04.2005

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