عربي - English - Française - Português - Español - - Italiano - русский

Die acht Tage in Medina vergingen wie im Fluge. Nun bereiten wir uns auf die Hadsch und die Umra vor, die die eigentlichen Ziele unserer Reise sind. Eine der wichtigsten Pflichten der Hadsch sind die Nijja, die Absicht, und der Weihezustand, der Ihrâm, in den man sich begibt. Die Frauen tragen im Weihezustand ihre alltäglichen Kleider. Das Ihrâm-Gewand der Männer hingegen besteht lediglich aus zwei nahtlosen weißen Gewändern.

Die Mikat-Grenzen

Wir begeben uns anschließend im Ihrâm an den für die aus Medina und dem Norden Medinas angereisten Pilger bestimmten Ort, dem Mikat, Zul Chulajfa, auch Abyar Alî (Alî-Brunnen) genannt. Mikat bedeutet festgelegte Zeiten und Orte. Das heißt, für die Hadsch gibt es festgelegte Orte und Zeiten, ab denen die Pilger alle Voraussetzungen und Vorbereitung für die Verrichtung des Hadsch oder der Umra erfüllen müssen. Die Zeiten des Mikat sind die so genannten Hadschmonate Schawwal, Zilkâda und die ersten zehn Tage des Zilhidscha. Der neunte Tag des Zilhidscha ist der Tag der Arafa, der zehnte der Tag dieses Monats ist der beginn des Opferfestes (Kurbân).



Die festgesetzten Orte des Mikat variieren je nach Wohnsitz der ankommenden Pilger. Um sich das bildlich zu vergegenwärtigen, kann man sich das in etwa so vorstellen: Zieht man um die Kâba herum drei imaginäre Kreise von innen nach außen, stellt der erste und innerste Kreis das heilige Gebiet (Haram) dar, der darauf anschließende die Hill-Grenze, die letzte Sphäre ist dann der die ganze Welt umfassende Kreis der Afakis, also derer, die außerhalb dieses Gebietes leben. Die in der Hill-Sphäre Lebenden stehen zwischen der Mikat-Grenze und dem Haram. Den Haram bilden Mekka und die benachbarten Regionen. Für die Fremden gibt es fünf festgelegte Orte. Aus Richtung Medina kommende ist es der Ort Zul Chulajfa (Abyar Alî), aus Syrien, Ägypten, Palästina und aus den übrigen nordafrikanischen Ländern kommende Pilger ist es der Ort Al-Dschuh’fa, für Pilger aus Nedschd ist es der Ort Karn al-Manazil, wer aus der Richtung des Irak anreist, muss in dem Ort Dhat lrk halten und für alle die aus der Richtung des Yemen kommen, gilt der Ort Yalamlam als Grenze. Die gleichen Höhen dieser bestimmten Grenzen werden auch als Mikat akzeptiert. Daher dürfen diejenigen, die die Hadsch oder die Umra verrichten wollen, nicht in diese Gebiete eintreten, bevor sie sich nicht in den Ihrâm begeben haben. Wenn sie dennoch unbewusst die Grenze überschritten haben, müssen sie zurück, um dann im Ihrâm nach Mekka zu gelangen.


Absichtsfassung, Gebet und Talbijja

In Zul Chulajfa gibt es heute eine wunderschöne Moschee. Es ist schon zehn Uhr abends, als wir diesen Ort erreichen. Überall sind Pilgergruppen zu sehen. Sie beten, bereiten sich auf das Gebet vor, sprechen ihre Absicht oder sprechen die Talbijja. Es gibt ein großes Gedränge auf dem Platz. Wir erinnern unsere Pilgergruppe daran, sich zu waschen und auf das Gebet vorzubereiten. Wir werden das Nachtgebet zusammen in der Moschee verrichten. Anschließend beten wir das Ihrâm-Gebet mit zwei Rak’as (Gebetseinheiten), sprechen danach unsere Nijja aus, fangen an, die Talbijja auszurufen und begeben uns nach Mekka.


Es gibt drei Arten, die Hadsch zu verrichten. Jeder Pilger hat in der Mikat-Zone die Möglichkeit, sich für eine dieser Arten zu entscheiden und seine Absicht auszusprechen. Die eine ist die Hadsch Ifrad, bei dem man nur für die Hadsch ohne für die Umra seine Absicht ausspricht. Man bleibt ab dem Zeitpunkt des Eintritts in den Mikat und somit den Ihrâm bis zum Opferfest in sein Ihrâm-Gewand gehüllt und erst am Festtag wird man von den Verboten des Ihrâms befreit. Die anderen beiden Arten sind die Hadsch Tamattu und die Hadsch Kiran. Während der Hadschzeit wird bei diesen letzten beiden Arten sowohl die Hadsch als auch die Umra vollzogen. Sie unterscheiden sich durch die Nijja und den Ihrâm. Bei der Hadsch Tamattu legt man zwischen der Umra und der Hadsch den Ihrâm ab. Bei der Hadsch Kiran dagegen bleibt man im Ihrâm-Zustand, während man die Hadsch mit die Umra verbindet. Die Hadsch Kiran gleicht in der Dauer, die man im Ihrâm-Zustand verbringt, der Hadsch Ifrad. In der gleichzeitigen Verrichtung von Hadsch und Umra, hingegen der Hadsch Tamattu. Die Hadch Kiran ist bei Allah am angesehensten, dann die Hadsch Tamattu und danach die Hadsch Ifrad.


Unsere Gruppenbetreuer haben während den Vorbereitungen für Mekka die Pilger über diese Unterschiede aufgeklärt und ihnen dementsprechend bei ihren Entscheidungen geholfen. Da bis zum Tag der Wakfa im Arafat Tal und bis zum Opferfest eine lange Zeit bleibt, und es sehr mühsam sein kann, die ganze Zeit über im Ihrâm-Zustand zu bleiben, empfehlen wir unseren Pilgern die Hadsch Tamattu. Unter anderem fassen viele unserer jungen Ehepaare die Absicht für die Hadsch Kiran.


Im Hof der Moschee in Zul Chulajfa trennen wir zunächst unsere männlichen und weiblichen Pilger. Anschließend trennen wir sie nochmals nach der Art der Hadsch, für die sie ihre Absicht gefasst haben. Ein weiteres Mal unterscheiden wir sie unter eigentlichen Pilgern und Pilgern, die die Hadsch in Vertretung eines anderen durchführen. Wir als Gruppenbeauftragte betreuen nun die Pilger einzeln, damit sie ihre Absicht für ihre Hadsch und Umra auch richtig aussprechen. Denn nach der Mikat-Grenze ist es fast unmöglich umzukehren. Daher soll hier alles korrekt ablaufen. Damit keine Fehler entstehen, kontrollieren wir abermals die Nijja unserer Pilger.


Nachdem das abgeschlossen ist, sprechen wir die Talbijja. Das ist das besondere Gebet, welches man nur während der Wallfahrt und sonst zu keiner anderen Gelegenheit ausspricht. Unsere Gebete lassen die Erde zittern und erreichen den Himmel! Dies wird unser einheitliches Gebet sein, solange wir im Ihrâm bleiben. An jeder Kurve und Ecke, an jedem Berggipfel und Tal sprechen wir die Talbijja innig aus, manchmal leise, manchmal laut:


Labbajk allâhumma labbajk - labbajka lâ scharîka laka labbajk – innal hamda wan nimata laka wal mulk – lâ scharîka lak."


„Hier bin ich, O Allah, hier bin ich - hier bin ich, es gibt keine Gottheit außer Dir, hier bin ich – alles Lob und alle Huld sind Dein, und alle Herrschaft – es gibt keine Gottheit außer Dir."


Wir kontrollieren nochmal, dass keiner zurückbleibt, und machen uns mit unseren Bussen auf den Weg nach Mekka. Nochmal passieren wir die Hidschra-Autobahn. Den Weg, den unser geliebter Prophet während seiner Auswanderung zurücklegte, legen wir nun im Ihrâm zurück. Auf den Lippen immer und immer wieder die Talbijja-Rufe und in unseren Herzen Gebete…

Der Ort Zul Chulajfa ist zehn Kilometer vom Zentrum Medinas entfernt, liegt aber heute mit der Stadt beieinander. Während unseres Aufenthalts in der Zul Chulajfa Moschee machen wir eine kleine historische Reise in die Vergangenheit. Wir erinnern uns an unseren Propheten (saw), wie er mit der Absicht einer Umra sich in den Ihrâm begab, dann in Hudajbija aufgehalten wurde, wie seine Sehnsucht nach der Kâba noch ein weiteres Jahr andauerte, wie nach einem Jahr nach dem Siegeseinzug in Mekka unter der Obhut des Kalifen Abû Bakr (ra) die erste Hadsch verrichtet wurde, wie unser geliebter Prophet seine erste und einzige Hadsch, seine Abschiedswallfahrt, von hieraus im Ihrâm antrat. Uns läuft ein süßer Schauer durch den Rücken, da wir fühlen, dass wir nun zu den Gefährten des rechten Pfades gehören, indem wir das Gottesgebot und die Sunna unseres Propheten verrichten. Wir danken Allah, dass uns diese Wallfahrt gewährt wurde. Denn wir hätten genauso zu denjenigen gehören können, die obwohl sie überhaupt kein Hindernis im Leben haben, diese Pflicht nicht verrichten. Tausend Dank unserem Gott, alhamdullillâh…


Die Entfernung zwischen Medina und Mekka beträgt ungefähr 400 km. Wir werden diese Strecke mit Pausen in ca. sechs bis acht Stunden zurücklegen. Da wir nachts unterwegs sein werden, müssen wir auf die Busfahrer aufpassen, die während der Hadschsaison ununterbrochen arbeiten. Wir versuchen sie mit Erfrischungen, Unterhaltungen und Talbijja-Rufen wach zu halten.


So kommen wir ungefähr fünf Uhr morgens in Mekka in der „Umm al-Kura“, der Mutter der Städte an, auf unseren Lippen immer wieder Dankessagungen an unseren Schöpfer… Möge Er uns dabei helfen, unsere folgenden Pflichten weiterhin mühelos zu verrichten und inschâallâh nur nach seinem Wohlgefallen zu trachten.

Quelle: igmg